Montag, 6. Juni 2016

Pandora - Eva Siegmund

Rezension zu "Pandora - Wovon träumst du?"
 von Eva Siegmund

Taschenbuch, 496 Seiten
Verlag: cbt (11. April 2016)
ISBN-13: 978-3570310595
Band 1 von 1

Worum geht's?


"Träume sind die vierte Gewalt in diesem Staat, Träume können Menschen dazu bewegen, Dinge zu tun, die sie niemals für möglich gehalten hätten." (S. 425)
Sophie Kirsch und Liz Karweiler stammen aus völlig verschiedenen Ecken Berlins - die eine ein eher zurückhaltendes Mädchen aus eher einfachen Verhältnissen, die andere gewöhnt an ein Leben im Luxus und sehr selbstbewusst. So gesehen scheinen die beiden nicht viel gemeinsam zu haben. Bis sie aufeinander treffen und feststellen, dass sie Zwillinge sind.
Gemeinsam versuchen sie, ihre Vergangenheit und die Gründe ihrer Trennung zu ergründen und erkennen schnell, dass ihre Familiengeschichte eng mit der Firma verknüpft ist, in der vor Jahren der SmartPort erfunden wurde - der Chip, der das Internet direkt mit dem Kopf der Menschen verknüpft. Und der vor Missbrauch nicht so sicher zu sein scheint, wie die beiden bislang geglaubt haben ...


Was mich neugierig gemacht hat:


Auf den ersten Eindruck schien hier alles perfekt: eine realistische Zukunftsdystopie, nicht allzu weit entfernt von unserer Zeit, die spannenden Themen Träume, Manipulation und technischer Fortschritt bis zur Verknüpfung des Internets mit dem Gehirn und ein träumerisch, leicht melancholisches Cover. "Pandora - Wovon träumst du?"war für mich eines dieser Bücher, die nicht für später auf die Wunschliste gepflanzt werden können, sondern sofort gelesen werden wollen. Bei einer Leserunde hatte ich dann Glück und habe ein Rezensionsexemplar gewonnen.

Wie es mir gefallen hat:


Der Einstieg in das Deutschland der Zukunft fällt bei diesem Buch sehr leicht. Die Details werden nicht ausschweifend erklärt, sondern fließen nach und nach ganz von selbst in die Geschichte mit ein, sodass man sich schnell zurechtfindet und immer wieder von den Ideen der Autorin fasziniert ist. Zum einen sind die Schauplätze so gut beschrieben, dass man selbst dort zu sein meint, zum anderen sind auch die aktuellen Themen sehr feinfühlig und glaubhaft eingewebt.
Besonders alles rund um die SmartPorts und die dadurch möglich gewordenen Eingriffe in die Träume der Menschen waren sehr interessant. Das Bedürfnis des Menschen von heute, online ja nichts zu verpassen und mit allen rund um die Uhr vernetzt zu sein, könnte ja durchaus dazu führen, dass ein technisches Gerät als Mittler irgendwann nicht mehr ausreicht. Dann muss das Internet noch näher - direkt in den Kopf hinein. Spannend ist hierbei auch, dass es für die verschiedenen sozialen Schichten verschiedene Modelle gibt, die entweder werbefinanziert sind oder eben nicht.

Erzähltechnisch gibt es einen Wechsel zwischen den beiden Schwestern und Einschüben, in denen Träume wiedergegeben werden oder ein personaler Erzähler auftritt. Das hat mir an sich gut gefallen. Nur ganz selten habe ich bei den Übergängen zwischen den Kapiteln für ein paar Zeilen die Orientierung verloren, dass die Perspektive gerade von Liz zu Sophie oder anderherum gewechselt hatte.

Die Hintergrundgeschichte wird Stück für Stück gelüftet. An manchen Stellen hätte es meiner Meinung nach noch etwas gestrafft werden können, da die Mädchen hin und wieder bei ihrer Suche doch fast ein bisschen trottelig vorgehen.
Relativ früh hatte ich einen Verdacht, der sich dann auch bewahrheitet hat. Es gab aber auch noch einige fehlende Puzzleteile, mit denen ich so nicht gerechnet hatte.

Mein größter Kritikpunkt betrifft die Figuren. Es hat mich ein wenig gestört, dass die Schwester so klischeehaft in "Reich & Frech" und "Arm & Schüchtern" eingeteilt worden sind. Dazu kamen dann noch die eher störenden Liebesgeschichten, bei denen gefühlt einfach vieles im falschen Moment passiert ist.
Eine für die Handlung wichtige Figur wurde sogar erst im letzten Fünftel des Buches eingeführt, was ich sehr schade fand - so kam die betreffende Person wie aus dem Nichts.
Das Finale und die Auflösung ist einerseits spannend, stellenweise aber vielleicht ein wenig zu konstruiert.
Am Ende gibt es noch einen kleinen Ausblick, wie das Leben für die Charaktere weitergehen wird - hier hätte ich noch ein kleines bisschen mehr erwartet, um das Ganze abzurunden und alle Fäden zusammenzuführen.

Von den Ideen und den Beschreibungen her hat mich das Buch also begeistern können, die Charaktere und ihre Handlungen allerdings haben es mir manchmal nicht ganz leicht gemacht.

(Für wen) Lohnt es sich?


Das Buch lohnt sich auf jeden Fall, wenn man realistische Zukunftsszenarien mag, in denen die heutigen Gegebenheiten weiter gedacht und zugespitzt werden.
Besonders schön ist es, wenn man die Schauplätze in Berlin selbst kennt.
Nur wer besonderen Wert auf Charakterentwicklung und die Liebesgeschichte liest, könnte hier ein bisschen enttäuscht werden.
 

In einem Satz:


"Pandora - Wovon träumst du?" ist eine sehr einfallsreiche Dystopie, die gerade dadurch zum Nachdenken anregt, dass die geschilderte Zukunft gar nicht so weit weg von unserem Alltag zu sein scheint, von den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander her aber leider nicht ganz überzeugen kann.

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