Sonntag, 29. September 2019

Der Zufall, das Schicksal und ich – Moriah McStay

Broschiert, 336 Seiten 
dtv Verlagsgesellschaft (23. August 2019)
ISBN: 9783423740456
Preis: 14,95 € / eBook 11,99 €
Originaltitel: Everything that makes you
Standalone

Worum geht's?


„(...) Lass es nicht ungenutzt."
„Lass
was nicht ungenutzt?", flüsterte sie.
Er sah sie lange an. „Alles, was dich ausmacht."
(S. 290)
 Ein Mädchen, zwei verschiedene Lebensverläufe:

Fiona Doyle hat seit ihrer Kindheit ein zur Hälfte vernarbtes Gesicht. Einer der Hauptgründe dafür, dass sie versucht, möglichst keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Songtexte, mit denen sie ganze Notizbücher füllt, traut sie sich mit niemandem zu teilen. Und ihr Schwarm Trent ist unerreichbar für sie. Als sich eine neue Möglichkeit bietet, sich „instand setzen zu lassen", ist die Entscheidung für oder gegen den Eingriff dennoch alles andere als leicht ...

Fi Doyle ist die beste Lacrosse-Spielerin an ihrer Schule und träumt davon, Teil einer der erfolgreichsten Lacrosse-Collegemannschaften des Landes zu werden. Mit ihrem besten Freund Trent liegen die Dinge gerade etwas kompliziert. Doch dann passiert ein Unfall. Der über Umwege dazu führt, dass sie Marcus King kennenlernt. Und er stellt ihr Leben in jeder Hinsicht auf den Kopf ...

Was mich neugierig gemacht hat:


Mir hat die Idee, die Geschichte desselben Mädchens in zwei unterschiedlichen Varianten zu erzählen, sofort sehr gut gefallen. Ich war gespannt, in welchen Punkten sich die beiden Lebensläufe unterscheiden und ob die Autorin in irgendeiner Weise werten würde, in welcher der Versionen Fiona alias Fi glücklicher ist.

Wie es mir gefallen hat:


Die Geschichte ist ein wenig anders aufgebaut, als ich erwartet hatte. Zum einen gibt es sehr viele Zeitsprünge, sodass man die beiden Versionen der Protagonistin von der Schul- bis in die Collegezeit hinein begleitet. Das ist geschickt gemacht, da so längerfristige Entwicklungen dargestellt werden können. Zum anderen war ich irgendwie davon ausgegangen, Fiona würde sich am Ende für eines der beiden Leben entscheiden müssen. In Wahrheit laufen die beiden Stränge jedoch einfach parallel und erhalten auch jeweils ihr eigenes Ende. Dass die Autorin sie nebeneinanderstehen lässt und somit weder Fiona noch Fi den Vorzug gibt, hat mich positiv überrascht.

Die Abschnitte über Fiona und Fi wechseln sich ab (in 3. Person geschrieben). Die meiste Zeit über konnte ich sie gut voneinander trennen; es gab aber auch Passagen, in denen ich ein wenig durcheinandergekommen bin, weil die Nebencharaktere in beiden Strängen dieselben sind (oder besser gesagt: die gleichen, denn auch ihr Leben ist natürlich mit Fiona oder Fi darin jeweils anders verlaufen). Zu sehen, wie die Rollen von Trent, den King-Brüdern Marcus und Jackson sowie auch Fionas/Fis restlichem Familien- und Freundeskreis durch die unterschiedlichen Ereignisse verschoben wurden, ist faszinierend.

Eine Schwäche des Buches ist, dass leider kaum Emotionen vermittelt werden, obwohl einige der Themen dafür wirklich sehr viel Raum geboten hätten. Zudem gibt es einige Szenen, die einfach sehr banal sind, ausführliche Smalltalk-Dialoge und Ähnliches.
Dass man so viel Alltag von Fiona und Fi mitbekommt, in dem nichts Großartiges passiert, kann zwischenzeitlich für Langeweile sorgen; im Nachhinein finde ich es aber gar nicht so schlecht, weil es auch für eine starke Authenzität sorgt. Zum Konzept des Buches passt das sehr gut, denn es zeigt, dass sowohl Fiona als auch Fi ein ganz gewöhnlicher Mensch ist, wie jede/r der Leser*innen.

Gestört hat mich inhaltlich ein Punkt, den ich zumindest kurz erwähnen möchte, weil ich das für ein Jugendbuch sehr schade finde: Fiona führt eine Zeit lang eine Beziehung, die ihr vollkommen gleichgültig ist, praktisch nur dem Jungen zuliebe. Sie sitzt das einfach aus, verletzt ihn und erklärt sich ihm bis zum Schluss nie. Dieser Konflikt hätte Potenzial gehabt, aber so verhält sie sich einfach unreflektiert.

Die Übersetzung hapert leider stellenweise ein wenig. So ist zum Beispiel einmal von „Dates" die Rede, als im Original die Wortbedeutung „Datum" gemeint gewesen sein muss, oder ein Moment, der besonders romantisch wirken sollte, irritiert eher, weil ein „heißer Sommerhimmel" erwähnt wird.
Die Songtexte von Fiona hätten lieber gar nicht übersetzt werden sollen, da hätte man das Englische der Zielgruppe mit Sicherheit zutrauen können und es hätte einfach besser gepasst.

(Für wen) Lohnt es sich?


Wer Bücher auch dann gern liest, wenn das Erzähltempo eher langsam ist und keine weltbewegenden, dafür aber realistische und alltägliche Dinge passieren, sollte dem Buch eine Chance geben. Die Thematik hat es nämlich in sich.
Allerdings finde ich den Ladenpreis etwas zu hoch angesetzt, 10 € oder maximal 12 € wären angemessener gewesen.

In einem Satz:


Trotz der leider eher zähen Umsetzung, in der die emotionalen Themen ihr Potenzial nicht voll entfalten können, ist „Der Zufall, das Schicksal und ich" ein Buch mit einer großartigen Grundidee, die einen während und nach dem Lesen weiterdenken lässt.

Donnerstag, 12. September 2019

Malerische Sommerprojekte 2019

"Rahrbacher Koog", Abtön- und Fassadenfarbe auf Beton, ca. 8 x 2.5 , Kirchhundem-Rahrbach, 2019
Ihr Lieben!

Es ist einige Zeit her, dass ich eine "künstlerische" Arbeit von mir hier vorgestellt habe. Tatsächlich bin ich in dieser Blog-Pause nicht untätig gewesen. Ich habe in diesem Sommer meine Bachelorarbeit geschrieben (Soziologie) und bin umgezogen, um ein ganz spezielles Handwerk zu erlernen - die Bühnenmalerei. So bin jetzt nun nicht mehr Studentin, sondern Auszubildende ;)

Während der vergangenen Monate habe ich jedoch auch einige Projekte in Angriff nehmen können, darunter die Betonwand, die ihr oben im Finalzustand sehen könnt, und einen weiteren Stromkasten.
Die Mauer ist bisher mein größtes öffentliches "Kunstwerk" und wird dies wohl auch vorerst bleiben (aber man weiß nie, was kommt...).


Die Gestaltung der Mauer ist in Absprache mit dem Ortsvorsteher erfolgt. Auch beim Stromkasten (Standort Friedhof) habe ich mich malerisch in die gewünschte Richtung bewegt.


Wenn ich die Zeit finde, werde ich demächst weitere Sachen hochladen, habe da doch einiges an Zeichnungen und Malereien, was ich euch noch zeigen könnte...

Ich nehme auch gerne Fragen und Anregungen entgegen :)

Bis dahin eine gute Zeit!


Miriam


Abtön- und Fassadenfarbe auf Stromkasten (Telekom), Welschen Ennest, 2019
 

Sonntag, 1. September 2019

Romane schreiben – Gustav Ernst & Karin Fleischanderl

Geschichten entwickeln, Figuren zeichnen, Stil finden


Hardcover, 192 Seiten
Haymon Verlag (25. Juli 2019)
ISBN: 9783709934746
Preis: 19,90 € / eBook 14,99 €

Worum geht's?


Dieser Schreibratgeber beschäftigt sich mit folgenden Fragen (aus dem Verlagstext entnommen):
  • Wie plane ich meinen Roman?
  • Worauf muss ich bei der Erzählperspektive achten?
  • Wie baue ich Handlung und Spannung auf?
  • Wie gelingen mir lebendige Dialoge?
  • Wie finde ich meinen individuellen Schreibstil?
  • Wie bringe ich das Schreiben in meinem stressigen Berufsleben und Familienalltag unter?
  • Wie werde ich endlich meine Schreibblockade los?

Wie es mir gefallen hat:


Mein Ziel war es, mit diesem Ratgeber noch mal das eine oder andere aufzufrischen beziehungsweise in Bezug auf meine eigenen Texte zu reflektieren. Diese Erwartung hat sich zumindest teilweise erfüllt: Gerade das Kapitel zur Dramaturgie fand ich zu diesem Zweck hilfreich (auch wenn der Ratschlag, die entsprechenden Regeln beim Schreiben selbst nicht zu sehr präsent zu haben, auf jeden Fall wichtig ist).
Davon abgesehen habe ich aber festgestellt, dass es wirklich um absolute Grundkenntnisse geht, die teilweise dennoch überflüssig erscheinen. Einiges müsste längst selbstverständlich sein, wenn man sich auch nur ein bisschen für das Schreiben interessiert (z. B. die Passagen über schlechtes Deutsch oder die korrekten Zeitformen). Wer dieses Handwerk nicht mal ansatzweise beherrscht, wird noch einen weiten Weg vor sich haben bis zu einem auch nur halbwegs gut lesbaren Roman. 

Das Wissen wird in sehr gebündelter und zudem nüchterner Form präsentiert; zudem entsteht an vielen Stellen der Eindruck, dass sich das Buch vordergründig an Verfasser*innen anspruchsvoller Literatur richtet. 
Leider muss ich auch sagen, dass ich als Autorin mit inzwischen immerhin vier Verlagsveröffentlichungen einige der getroffenen Aussagen nicht bestätigen kann. Man muss dem Autorenduo allerdings zugutehalten, dass sie selbst feststellen, dass sich fast für jeden geschilderten Fall ein Gegenbeispiel finden lassen kann. Doch auch einige der allgemeinen Dinge sehe ich persönlich ganz anders. 
Aufgefallen ist mir auch, dass bei dem Abschnitt zur Erzählperspektive nicht auf die Ansätze/Begrifflichkeiten der aktuellen Narratologie, sondern das alte Schulmuster personal/auktorial/Ich-Erzähler/verschwundener Erzähler zurückgegriffen wird.

Schade ist, dass die Informationen zum Buchmarkt, zu Literaturagenturen und der Verlagssuche so knapp und ausschnitthaft gehalten sind. Auch zum Zeitmanagement beim Schreiben wird leider kaum etwas gesagt. 
Für österreichische Autoren/*innen könnte interessant sein, dass die Besonderheiten ihres nationalen Marktes Erwähnung finden.

Angesichts der inhaltlichen Lücken und der teils nicht ganz optimalen Umsetzung halte ich den Preis des Buches für zu hoch angesetzt. 

(Für wen) Lohnt es sich?


Schreibanfänger*innen oder Leser*innen, die sich gezielt mit bestimmten Aspekten wie Dramaturgischem oder Dialoggestaltung auseinandersetzen wollen, gibt das Buch ein paar solide Grundkenntnisse an die Hand. Für Fortgeschrittene erscheint vieles eher banal oder zu einschränkend.

In einem Satz:


Wer sich überhaupt nicht mit dem Schreiben und der Buchbranche auskennt, kann hier ein paar erste sachlich vermittelte Eindrücke gewinnen und kleinere Wissenslücken schließen; insgesamt erscheint vieles jedoch sehr einseitig und heruntergebrochen sowie wenig motivierend.