Sonntag, 22. Januar 2023

We Are Like the Sea – Marie Niebler

MIRA Taschenbuch (27. September 2022)
Broschiert,‎ 432 Seiten
ISBN: ‎ 9783745703344
Preis: 14,00 € / eBook: 10,99 € 
Originalausgabe 
 

Worum geht's?

Nur wer sich der Vergangenheit stellt, gibt auch der Zukunft eine Chance

Der Sturm, der in Lavender tobt, ist heftiger als das Unwetter, das bei ihrer Ankunft über Malcolm Island fegt. Eigentlich wollte sie die kanadische Insel nie wieder betreten, zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an den tragischen Unfall vor zwölf Jahren. Selbst zur Beerdigung ihres Onkels brachte sie es nicht über sich, zurückzukehren. Dennoch hat er ihr sein Haus vererbt, und ausgerechnet dieses ist nach Lavenders gescheitertem Studium ihr letzter Zufluchtsort. Die Begegnung mit dem Coast Guard Jonne ist ihr einziger Lichtblick – bis er erfährt, wer sie ist, und sein Lächeln verschwindet. Wo vorher Wärme war, sieht sie in seinen schieferblauen Augen jetzt nur noch Wut.
 
(Text des Verlags)

Wie es mir gefallen hat:

Eine verträumte kleine Insel inmitten von Regenwolken und der rauen See, eine Art gemütlicher Mikrokosmos, wo man zusammenhält, aber Tragödien umso größere Wellen schlagen ... Es war vor allem das Setting, das mich neugierig auf Marie Nieblers „Like Us"-Reihe gemacht hat.

Der Schreibstil der Autorin ist unterhaltsam und emotional; auch wenn beide Erzählstimmen den Ausruf „Fuck!" ein wenig überstrapazieren, hat er mir insgesamt gut gefallen. Einen Spritzer Humor gibt es auch immer wieder.
Der Perspektivwechsel ist, abgesehen von dem zum Teil sehr ähnlichen Ton der beiden, schön, und ich fand von Beginn an sowohl Lavender als auch Jonne interessant. Auch die komplizierte Ausgangslage der Lovestory hat ihren Reiz.

Das Buch ist mit seinen 432 Seiten und der relativ kleinen Schrift vergleichsweise umfangreich, und das zeigt sich in einigen Längen. Nicht jede Szene bringt die Geschichte oder die Charakterentwicklung voran, und ich empfinde es zwiespältig, wenn man als Leser*in so lange viel weniger weiß als die Hauptfiguren, durch deren Augen man doch alles erlebt.

Ich hätte mir am ehesten einen Band über Auri (oder Miko ein paar Jahre später) gewünscht und muss zugeben, dass mich die Prämissen der beiden auch unabhängig lesbaren Fortsetzungen nicht so ansprechen wie die des Auftakts (zwei der weiteren Hauptpersonen kamen in diesem Teil am Rande vor). Daher bin ich noch unsicher, ob ich sie irgendwann lesen werde.

In einem Satz:

„We Are Like the Sea" überzeugt mit einem wunderbaren Schauplatz und der Abwechslung von Wohlfühlfaktor und Schwere – eine schöne Romance, die trotz der vielen anderen Bücher dieses Genres etwas Eigenes hat.

Sonntag, 15. Januar 2023

Kein Ort dieser Welt – Marie Döling

 Marie Döling, Nova MD (21. November 2022)
Taschenbuch, ‎ 344 Seiten
ISBN: ‎ 9783985955220
Preis: 13,90 € / eBook 3,99 € 
ab 14 Jahren 
Triggerwarnung beachten!

Worum geht's?

»Manchmal glaube ich, dass jeder Mensch, dem ich begegne, ein Wort in mir hinterlässt.«

Seit vier Jahren sieht Fiona zu. Dabei, wie ihr Vater ihre Familie verließ. Wie sich ihr bester Freund von ihr lossagte. Und dabei, wie sie selbst zerbricht. Das Einzige, das sie daran hindert, in dieser Traurigkeit unterzugehen, sind die Gedichte, die sie heimlich in ihr Notizbuch schreibt. Worte, die ihr Trost spenden, während sie zu Hause kaum mehr als eine Fremde ist und in der Schule Opfer dreier Mitschülerinnen, die ihren Alltag zur Hölle machen.
Als sie jedoch Zeugin wird, wie eines dieser Mädchen auf einer Party sexuell belästigt wird, realisiert sie, dass kein Ort dieser Welt frei von Schatten ist. Und dass es Menschen gibt, die keine Worte, sondern Tragödien hinterlassen.
 
(Klappentext)

Wie es mir gefallen hat:

Mit diesem Roman lässt man sich auf ein besonderes Leseerlebnis ein. Er ist erschütternd, emotional, nachdenklich stimmend und intensiv.
Wir begleiten Ich-Erzählerin Fiona auf einem sehr steinigen Weg, sehen sie wachsen, aber auch immer weiter leiden. Das Buch nimmt sich bedrückender Themen an (insbesondere Mobbing und sexualisierter Gewalt), hat mich aber auch mit Szenen voller Leichtigkeit überrascht, die ich zu Beginn gar nicht zu erwarten gewagt hätte.
Marie Döling hat definitiv ein großes Talent, die Entwicklung von Gefühlen und die Dynamiken im Zwischenmenschlichen zu beschreiben. Auch ihre Dichtkunst findet Eingang in die Geschichte, indem Fiona ihre Gedankenwelt durch das Schaffen von Poesie ordnet und zum Ausdruck bringt – ein schönes Detail, das dem Buch zusätzliche Tiefe gibt.

Besonders gefallen haben mir die Unvorhersehbarkeit der Geschichte (ich hatte immer nur vage Ahnungen), ihre Intention, die im Nachwort noch einmal unmissverständlich ausformuliert wird, und wie deutlich wird, welcher immensen Zerbrechlichkeit unser Leben, unsere Beziehungen, unser Glück ausgesetzt sind und wie kostbar alles Gute gerade dadurch ist.

Die Charaktere sind gut ausgestaltet und lassen sich erst nach und nach (und manche bis zum Schluss nur teilweise) ergründen. Meine Lieblinge waren Dean und Ana, die beide für Fi eine sehr große Rolle spielen, die sich im Verlauf der Kapitel stark verändert.
Die Gesamtkonstellation ist ebenfalls gelungen angelegt: Jeder Charakter bringt etwas ein und bestimmt das Geschehen mit, von Fis Kindheitsfreund Travis über ihren Bruder Phillip bis hin zu Cole, dessen Image ganz anders aussieht als sein Inneres.

In einem Satz:

 
„Kein Ort dieser Welt" ist ein außergewöhnliches Buch: Kantig, kratzig und ungeschönt erzählt es von dem, was Menschen anderen anzutun vermögen, aber auch auf kraftvolle, tiefgehende Weise von unverhoffter Freundschaft, von Zusammenhalt und tiefen Glücksmomenten, wo vorher alles aussichtslos schien.