Dienstag, 4. April 2017

Infernale 2 - Sophie Jordan

Rezension zu "Infernale - Rhapsodie in Schwarz"
von Sophie Jordan

Hardcover, 384 Seiten 
Loewe Verlag (13. März 2017)
ISBN-13: 978-3785583692
Preis: 18,95 €
Band 2 von 2

 

Worum geht's?


"Du bist eine, die viel zu streng zu sich selbst ist, die definitiv aufhören sollte, etwas auf das zu geben, was andere über sie sagen ... Und ganz besonders sollte sie aufhören, so viel auf das Ergebnis einer Laboranalyse zu geben. Sie muss aufhören, zu glauben, dass so ein Test bestimmen kann, wer sie ist." (S. 216 f.)
Davy ist zu dem geworden, was die Welt in ihr gesehen hat, seit bei ihr das Mördergen HTS festgestellt wurde: zu jemandem, der einem Menschen das Leben genommen hat. Obwohl sie durch ihre Tat Seans Leben gerettet hat, lastet die Schuld schwer auf ihr.
Die Flucht nach Mexiko in eines der Flüchtlingslager misslingt - Davy wird von ihren Freunden getrennt und ist nun auf sich selbst gestellt. Das denkt sie zumindest, auch wenn Caden, der Anführer einer Widerstandsgruppe, alles tut, um ihr zu zeigen, dass sie alles andere als allein ist ...

Was mich neugierig gemacht hat:


Der erste Band (hier geht's zu meiner Rezi) war ein wirklich beeindruckender Auftakt, rund um Themen wie Selbstbestimmung, Vorurteile, Angst vor Gewalt, Terror, Kriminalität und die Stempel, die Menschen einander aufdrücken. 
Ich war sehr gespannt, wie Sophie Jordan nach dem Showdown gegen Ende ihre Geschichte fortführen würde. Da der Erscheinungstermin im Deutschen um ein Jahr verschoben wurde, musste ich mich dann erst mal in Geduld üben. Jetzt war es endlich so weit und ich konnte, wie schon bei Band 1, das Finale in einer Leserunde entdecken.

Wie es mir gefallen hat:


Ein Reinfall. Selten denke ich das, wenn ich ein Buch nach dem Lesen zuschlage, aber Sophie Jordan hat es in meinen Augen diesmal leider wirklich vermasselt. 

Zu Beginn fällt es schwer, wieder ins Geschehen einzusteigen, da nicht wirklich Erinnerungshilfen gegeben werden. Zudem ist die Stimmung sehr drückend und die Handlung geht nur zäh voran. Das Warten darauf, dass die Freunde endlich den Grenzübertritt in Angriff nehmen, ist zermürbend. 
Davys Verhalten - Kampf mit Schuldgefühlen, totale Isolation und Distanz von ihrem Freund - hat mich sehr an den zweiten Band von "Die Bestimmung" erinnert, wo Tris sich wegen einer ähnlichen Tat sehr zurückzieht und mit sich ringt. 

Sobald die erste Spannung aufkommt, lässt sich wieder erahnen, dass die Autorin sehr wohl weiß, wie man schreibt - die Szenen sind gut beschrieben und nehmen einen mit. Leider bleibt das nicht lange so und der Plot verliert sich bald in typischen Handlungsverläufen. Schon wird Davy von ihrem Helden in strahlender Rüstung gerettet. Von da an lebt sie beim Widerstand, wo der Alltag so vor sich hinplätschert. Als es dann irgendwann endlich raus geht, währt die Hoffnung, dass die Handlung noch einmal an Fahrt aufnimmt, nicht lang.

Mit Caden bekommt man es in Band 2 mit einem neuen männlichen Hauptcharakter zu tun. Er selbst ist sehr sympathisch, das Knistern zwischen ihm und Davy habe ich allerdings als erzwungen und klischeehaft wahrgenommen. Noch dazu kam, dass Cadens Interesse an Davy mit ihrer neuen Unausstehlichkeit nicht wirklich nachvollziehbar war.
Um das zu erzählen, was zwischen Davy und Caden passiert, hätte man auch einfach einen realistischen Young-Adult-Roman schreiben können mit einem Mädchen, das viel verloren hat und jetzt keine Nähe mehr zulassen will, und einem Anführertypen, der sie langsam wieder ins Leben zurückführt. Leider verdrängt es hier die spannenden Hintergründe um das HTS-Gen. Obwohl Davy sich inzwischen so sehr über das Mördergen definiert, lassen die Entwicklungen sie vollkommen kalt.

So wie die Liebesgeschichte hier einfach zu viel des Guten ist, ist es auch mit den vielen praktischen Zufällen, durch die Davy immer wieder noch die bedrohlichsten Situationen überlebt. Hinzu kommen konstruierte Motive von Gegnern - oder solche, die gar nicht aufgedeckt werden.

Sehr schade ist, dass Sean, Gil und Sabine - die drei Freunde, die man schon aus dem ersten Band kennt -, in Band 2 fast vollkommen unter den Tisch fallen. Plötzlich spielen sie nicht mehr wirklich eine Rolle. Es wird so dargestellt, als wäre ihre Freundschaft Davy nichts wert gewesen.

Wie schon in Band 1 grenzen Informationsschnipsel rund um die politischen Vorgänge im Hintergrund und um Personen aus Davys früherem Umfeld die Kapitel voneinander ab. Dies war auch in Band 2 geschickt gelöst und konnte ein wenig Abwechslung in die Geschichte bringen. Dennoch ist rund um den eigentlichen Kern der Geschichte viel Potenzial verschenkt worden. Die Wainwright-Behörde wird von der bedrohlichen, unkontrollierbaren Gegenmacht zum  Lackaffenclub, die wichtigsten Fragen um ihre Entstehung und Motive bleiben unbeantwortet. Auch Mount Haven fällt hintenüber. Das Thema Hochbegabung verläuft sich einfach im Sande.

Insgesamt hat die Geschichte traurigerweise an allem verloren, was sie so genial gemacht hat: ihre Eigenheit gegenüber anderen Büchern des Genres, der tolle Spannungsaufbau, die gute Balance zwischen Davys Schicksal und den politischen Hintergründen und die real spürbare Bedrohung.

(Für wen) Lohnt es sich?


Diese Fortsetzung lohnt sich leider nicht wirklich. Da der erste Band aber leider recht offen endet, werden sich die meisten Fans wohl trotzdem an die "Rhapsodie in Schwarz" (der Titel erschließt sich übrigens nicht wirklich, auch wenn er schön klingt) wagen. 
An dem insgesamt eher schlechten Stimmungsbild der vorhandenen Rezensionen lese ich ab, dass ich mit meinen enttäuschten Erwartungen nicht allein bin.

In einem Satz:


"Infernale - Rhapsodie in Schwarz" ist in sehr vielen Punkten eine große Enttäuschung - die faszinierenden Hintergründe werden zugunsten einer klischeehaften Liebesgeschichte und einer negativen Entwicklung der Protagonistin hin zu einer sich selbst bemitleidenden, unsympathischen Nörglerin verdrängt und bis auf den Schreibstil bleibt an dem Buch kaum etwas Gutes.

   

Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar für die Leserunde an den LOEWE Verlag!
 
 

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