Dienstag, 27. Dezember 2016

Realitätsgewitter - Julia Zange

  Rezension zu "Realitätsgewitter" von Julia Zange

Hardcover, 157 Seiten
Aufbau Verlag (14. November 2016)
ISBN-13: 978-3351036584

Worum geht's?


"Weißt du, Marla, das Problem ist, wenn man verzweifelt ist, dann kann man nicht präsent sein. Weil man so sehr auf der Suche ist, dann ist man eigentlich gar nicht richtig da." (S. 91)

Marla ist ein Mädchen aus Berlin, wo sie ein Leben führt wie viele andere ihrer Generation - ziellos im Wald der Möglichkeiten, einsam in der Masse, immer online, aber nie glücklich. Die Beziehungen zu den Menschen, die sie kennt, sind oberflächlich und immer von mindestens einer Seite eigennützig. Tief im Inneren spürt sie Traurigkeit und Leere. Ob es einen Weg gibt, in alldem für ein neues Gefühl Platz zu schaffen?

Was mich neugierig gemacht hat:


Es war die Thematik des Buches, die mich dazu gereizt hat, mich bei einer Verlosung des Verlags zu beteiligen, und ich hatte Glück. Ich bin immer offen für Bücher, die sich mit Fassaden von Menschen und Tendenzen unserer Zeit und meiner Generation befassen, und habe hier auf eine authentische und tiefsinnige Geschichte gehofft.
Cover und Titel finde ich persönlich auch sehr ansprechend.

Wie es mir gefallen hat:


Sollte ich dieses Buch mit einem Adjektiv beschreiben, würde ich vermutlich am ehesten "speziell" wählen.
"Realitätsgewitter" ist keine schöne Geschichte, aber eine, die schonungslos die Orientierungslosigkeit vieler Menschen in unserer modernen Gesellschaft beleuchtet, Menschen wie Marla. Es werden Wahrheiten formuliert, die oft erschreckend sind, und emotionale Kälte dringt immer wieder zwischen den Zeilen hindurch.

Ich kann nicht behaupten, dass ich mich mit Marlas Lebensstil identifizieren kann, aber ich habe Menschen erlebt, von denen ich glaube, sie könnten ihr ähnlich sein, und es war interessant, meine Beobachtungen bei dieser Protagonistin wiederzufinden.

Das Buch hat keinen großen Umfang und ist in einem klaren, direkten Stil geschrieben, der sehr echt wirkt. Man hat den Eindruck, sich wirklich unmittelbar in Marlas Gedanken- und Gefühlswelt zu befinden, auch wenn man sich selbst nicht immer dort zurechtfinden mag.

Mit den bisher genannten Punkten hat dieses Buch es geschafft, mich zu beeindrucken und ins Grübeln zu bringen. Es ist eine Art Kunstwerk, das man während des Lesens zu verstehen versucht.
Ab dem Punkt, an dem Marla in ihr Heimatdorf zurückreist (und dann, wie schon der Klappentext verrät, nach Sylt) bin ich leider ein wenig ausgestiegen. Marlas familiäre Hintergründe bringen die Geschichte auf eine andere Schiene. Ich hätte es ehrlich gesagt besser gefunden, wenn es auf einer weniger persönlichen, individuellen Ebene geblieben wäre. So hatte ich den Eindruck, dass Marlas private Vorgeschichte als Erklärung für Dinge dienen soll, die auch viel banalere Ursachen haben können.
Das Ende fand ich passend, den Weg dorthin aber nicht bis ins Detail überzeugend und nachvollziehbar.

(Für wen) Lohnt es sich?


"Realitätsgewitter" ist sicherlich kein Buch für jeden. Man muss sich auf einen ungeschönten Blick auf das Leben einer nicht einfachen Protagonistin einlassen können. Gelingt einem das, kann man aber einiges an Stoff zum Nachdenken mitnehmen.
Ich vermute, dass es, je älter man ist, desto schwieriger wird, der Geschichte etwas abzugewinnen, da die Sicht auf Marla sehr eng damit verknüpft ist, ob man die Lebensumstände junger Menschen heute nachempfinden kann.
 

In einem Satz:


Ich sehe "Realitätsgewitter" in einer Funktion als Spiegel einer bestimmten Problematik unserer Zeit als durchaus aussagekräftig und authentisch, hätte mir den Verlauf der Geschichte aber etwas anders vorgestellt und gewünscht.


Herzlichen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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