Rezension zu "Love Alice" von Nataly Savina
- Taschenbuch: 160 Seiten
- Verlag: Beltz & Gelberg,Originalausgabe (4. März 2013)
- ISBN: 978-3407811417
Inhalt
Hier am Teich wird mir klar, dass ich mit Cherry reden kann, ohne zu sprechen. Dass mit ihr zusammen alles möglich ist. Mit Cherry bin ich in der Realität angekommen, neugierig auf jeden Tag, den ich mit ihr zusammen verbringe. (S. 105)
Die vierzehnjährige Alice Blumberg hat in ihrem Leben schon viele Neuanfänge machen müssen. Mit ihrer Mutter, einer ehrgeizigen Opernsängerin, zieht sie von Ort zu Ort, wo sie sich meist für die Dauer einer einzigen Spielzeit einrichten muss. Freundschaften zu schließen, ist unter diesen Umständen nicht leicht. Doch dieses Mal ist es anders. Sie lernt dieses eigenwillige Mädchen mit den verrückten Einfällen kennen, das sich selbst Cherry nennt. Zwischen ihnen entwickelt sich eine einzigartige Freundschaft. Doch das Unglück kann gleich hinter der nächsten Ecke lauern...
Meine Meinung
Als ich das Buch zum ersten Mal sah, ist mir sofort das wunderschöne Cover aufgefallen. Da ich mir aber nicht sicher war, was für eine Geschichte mich erwarten würde und weil die Protagonistinnen so jung sind, habe ich es nicht weiter im Auge behalten. Bis plötzlich eine Einladung zur Leserunde bei mir eintrudelte und meine Neugier neu geweckt war.
Vorweg: Ich bin froh, dass ich dieses Buch lesen durfte, denn es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
"Love Alice" ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.
Obwohl es so dünn ist, stecken die 160 Seiten voller Tiefe und Emotionen.
Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, war jedoch ein wenig ungewohnt, sodass ich ein bisschen Zeit gebraucht habe, um in die Geschichte hineinzufinden. Die Abschnitte und Kapitel sind oft kurz, aber inhaltsreich, und manchmal habe ich sehr langsam oder einige Stellen mehrfach gelesen, um die Worte auf mich wirken zu lassen.
Sehr gut eingefangen ist die Atmosphäre der einzelnen Szenen. Zudem versteht die Autorin sich darauf, die bedrohliche Grundstimmung durch scheinbar nebensächliche Beschreibungen und Einschübe zu gestalten.
Die Geschichte wartet mit besonderen Charakteren auf, im Mittelpunkt natürlich Cherry, die etwas Rebellisches und Waghalsiges an sich hat, aber zugleich sehr verletzlich ist.
Daneben war für mich besonders Hannah Blumberg, Alices Mutter, und ihre Beziehung zu ihrer Tochter interessant dargestellt, in dem Kontrast ihres stetigen nach oben Strebens und ihrer Verlassenheit.
Dafür rückt Ich-Erzählerin Alice meines Empfindens nach ein wenig in den Hintergrund. Man spürt zwar, wie sehr sie auf der Suche ist - nach sich selbst und dem Leben - und ihre Entwicklung während der Freundschaft und ihr Umgang mit dem Unglück erschienen mir sehr überzeugend und authentisch. Allerdings bin ich zu ihr dennoch eher auf Distanz geblieben.
Mit der Freundschaft und dem Verhalten der beiden Mädchen konnte ich mich nicht wirklich identifizieren - meine persönlichen Erfahrungen mit Freundschaften in diesem Alter unterscheiden sich sehr davon - , aber das ist nicht unbedingt negativ, denn gerade deshalb war es spannend, bei "Love Alice" etwas ganz anderes zu erlesen.
Es handelt sich um eine Geschichte, die schwer im Magen liegt und nachdenklich und traurig stimmt.
Sie zeigt, dass es Menschen wie wir sind, von deren Unglück wir in den Medien erfahren, Menschen mit Träumen, Hoffnungen, Familie, Freunden, einem Leben voller Möglichkeiten.
Die schlechten Seiten der Welt treffen nicht immer nur andere. Und gerade aus diesem Grund sollten wir die schönen schätzen.
Fazit
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, auch oder gerade weil ich es mit sehr gemischten Gefühlen gelesen habe. Es ist sehr gekonnt konzipiert und emotional geschrieben.
Was mir zum fünften Stern gefehlt hat, ist schwer zu benennen. Vielleicht liegt es daran, dass mir die Art der Mädchen so fremd war.
Wer sich vom ersten Eindruck angesprochen fühlt, sollte sich auf jeden Fall an "Love Alice" heranwagen!
Mein Dank geht an Beltz & Gelberg und an die Autorin für die Begleitung der Leserunde!
1 Kommentar:
Hallo Evelyn.
Einmal abgesehen des Satzes mit der Würze der Kürze - es ist eine vornehme Kunst in die wenigen Seiten (Zeilen) eines Textes ganze Teile eines Universums wahrnehmbar unterzubringen. Ich schätze Autoren, Schriftstellerinnen mit diesem Talent.
"In Unglück steckt nicht ein Sinn. Es trifft ohne Anstand. Lediglich, der Mensch sucht seinen Schutz darin ihm einen Meta-Sinn zuzuschreiben. Dem Unglück den Zahn zu ziehen."
(La Claire)
Vielleicht wird Dir Alice bei einer zweiten Lektüre zugänglicher. Ich habe festgestellt, daß bestimmte "unrunde" Charaktere erst kennen gelernt sein wollen - bevor sie einem näher kommen.
Gelegentlich, nicht immer... :-)
bonté
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