Sonntag, 5. August 2018

Du wolltest es doch - Louise O'Neill

 
Hardcover, 368 Seiten 
Carlsen (25. Juli 2018)
ISBN: 9783551583864
Preis: 18,00€
Altersempfehlung: ab 16 Jahren

Originaltitel: Asking For It

Worum geht's?


„Sie bricht nicht zusammen", fährt meine Mutter ihn an.
Ich breche nicht zusammen. Ich werde an den Säumen auseinandergerissen und mein Innerstes wird herausgezerrt, bis ich leer bin.
(S. 252)

Emma hat immer alles gegeben, um das Bestmögliche aus sich herauszuholen, sowohl, was ihr Aussehen als auch ihren Beliebtheitsstatus angeht. Doch sie muss die bittere Erfahrung machen, dass durch einen einzigen Moment, durch eine Entscheidung, die mutig und verwegen sein sollte, alles ins Gegenteil umschlagen kann.
Nach einer Party finden sie ihre Eltern mit zerrissenem Kleid und von der Sonne verbrannt in ihrem Vorgarten. Was ist passiert? Emma erinnert sich nur noch dunkel an Paul, mit dem sie im Schlafzimmer von Seans Eltern gelandet ist und an die Pillen, die er ihr angeboten hat. Auch daran, dass Dylan und Fitzi auftauchten und sie noch zusammen anderswo weiterfeiern wollten. Doch dann?
Als die Bilder im Netz auftauchen, ist die Lage für alle klar: Diese Emma O'Donovan - war ja klar, dass der das passieren würde. Sie hat es ja drauf angelegt. Sie wollte es doch.

Was mich neugierig gemacht hat:


Das Buch wurde auf dem Bloggertreffen auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und uns dort sehr ans Herz gelegt.
Ich hatte vor Kurzem „Caroline & West" von Ruthie Knox aus dem LYX-Verlag gelesen, das zwar nicht dasselbe, aber mit Revenge Porn doch ein um einige Ecken verwandtes Thema behandelt.
Unabhängig davon  lese ich gern Romane mit komplexen, auch gern mal kantig-schwierigen Protagonisten und war mir ziemlich sicher, in Emma eine solche zu finden.
 

Wie es mir gefallen hat:


Von „gefallen" oder „nicht gefallen" kann man bei einem solchen Buch eigentlich gar nicht sprechen.
Es ist keine schöne Geschichte zum Abschalten, sondern will Resonanz erzeugen, will erschüttern, aufrütteln, zum Nachdenken bringen und zwingen, Wut erzeugen, ent- und zugleich ermutigen.
Und all das gelingt ihm auf sehr eindrückliche Weise.

Louise O'Neill hat sich bewusst für eine Protagonistin entschieden, die keine Sympathieträgerin ist und nicht die Absicht hat, eine Art Prototyp darzustellen, dem man einen Stempel aufdrücken kann oder darf.
Mir persönlich hat Emma schon vor dem wirklichen Einstieg ins Geschehen leidgetan. Weil sie Prioritäten gesetzt hat, die immer nur auf ihre Wirkung auf andere abzielen sollten. Weil die Beziehung zu ihren besten Freundinnen zu so großen Teilen aus Konkurrenzdenken bestand. Weil zu ihren Eltern so wenig echte Nähe spürbar war.
Emma ist aus meinen Augen eine junge Frau, die, wie jeder Mensch, ein Kind ihres Umfelds war - und genau das, könnte man sagen, wird ihr zum Verhängnis. 

Die Umsetzung der Geschichte ist beeindruckend. Allein die Art des Erzählens vermittelt, wie etwas in Emma bricht, das nicht wieder zusammengesetzt werden kann. Mit aller Macht versucht sie sich von ihrem alten Ich zu trennen, was zum totalen Rückzug führt.
Ihre Gedanken, insbesondere die, die sie gar nicht haben will, sind stets in Klammern gesetzt, was ich als sehr gelungenes Stilmittel empfunden habe. 
Das Buch zu lesen drückt nieder, es tut weh und lässt die Ohnmacht greifbar werden, die Emma empfindet. Dass kaum Raum für Hoffnung und Emma und dem Leser nichts erspart bleibt, macht die Geschichte umso authentischer und augenöffnender.

Eine notwendige und gute Abrundung wird durch das Nachwort der Autorin sowie einem zusätzlichen Nachwort zur deutschen Ausgabe von Daniela Chmelik vorgenommen.

(Für wen) Lohnt es sich?


Wer nach einem ernsten, schonungslos, tiefgründigen und wichtigen Buch zum Thema Victim Blaming und Slut Shaming sucht, für den führt kein Weg an „Du wolltest es doch" vorbei.
Da Emmas Depression und Gebrochenheit und auch die Vergewaltigung mit allen Konsequenzen offen und detailliert thematisiert werden, ist die Altersempfehlung ab 16 Jahren angemessen.

In einem Satz:


„Du wolltest es doch" ist in gewissem Sinne ein ernüchterndes Buch, aber gerade darin liegt seine unglaubliche Schlagkraft, die hoffentlich bei vielen Lesern einen starken Nachhall haben wird.

 Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar an den Verlag! 

3 Kommentare:

paperlove hat gesagt…

Hey :)

Das Buch liegt bei mir auch noch ungelesen rum, und ich hoffe, ich komme diese Woche endlich dazu es zu lesen. Mich hat vor allem die Thematik angesprochen, weil es ein Thema ist, das ich bisher so in noch keinem anderen Buch gelesen habe - und das, obwohl es wichtig wäre, darüber zu sprechen. Ich bin also sehr gespannt, wie es umgesetzt wurde.

Liebe Grüsse ♥
paperlove von Between the Lines.

Anja Druckbuchstaben hat gesagt…

Hallöchen =)

Das klingt nach einem sehr wichtigen Thema, aber auch sehr schwerer Kost. Ich glaube das Buch, so wie du es beschreibst, verlangt einem beim Lesen schon einiges ab. Ich packe es auf jeden Fall mal auf meine Wunschlise.

LG
Anja

RoM hat gesagt…

Latha math, Evelyn.
Nach Gewalt ist kein Mensch mehr der selbe!
Manchen fehlt die Empathie für diese Einsicht. Sie stellen (bewußt, unbewußt) den Anspruch an Opfer, einfach weiter zu funktionieren. Andere betrachten lieber Täter als nicht verantwortlich, weil der "Rock zu gewagt", der "Lippenstifft zu rot" (ect.) gewesen sei...
Beide inhumane Reaktionen kehren offensichtliche Dinge nur unter muffige Teppiche, leugnen die Konsequenzen, begehen erneute Gewalt.
Dagegen gilt es einzustehen. Wie mit Büchern wie "Asking for it".

bonté