Sonntag, 15. März 2015

Wenn die Welt mein Eigen wäre/ Gen.1, 26-28

"Wenn die Welt mein Eigen wäre/Genesis 1, 26-28", 60x80cm, Acryl auf schwarzer Leinwand, Januar-März 2015





Wenn die Welt mein Eigen wäre
aus ihrem Gefüge gerissen
und bloß so groß wie ein Ball
um sie herum wäre ewige Leere
nur Mond und Sterne schienen verbissen
nichts wäre da außer mir und dem All
balancieren würde die Erde auf meinem Finger
ich wäre ihre scheinende Sonne
königlich und eitel und schön
mein Wert wäre groß und ihrer geringer
geschätzt von den Sternen in ihrer Kolonne
nur wenig durch die schwarze Galaxie verhöhnt

Wenn die Welt mein Eigen wäre
                                        sie wäre falsch



Im Folgenden ein Interpretationsansatz, der meinen Gedankengang ein wenig aufgreift. Es ist kein Muss, ihn zu lesen. Jeder ist frei, über das Bild zu denken, was er meint.

Eigentlich sind Bilder nicht dazu da, um Aussagen über sie zu machen, denn im Grunde genommen sind sie selbst die Aussage. In diesem Fall möchte ich eine Ausnahme machen, weil ich mir wohl mehr Gedanken gemacht habe, als letztendlich im Bild erkennbar geworden sind.
Die Thematik des Bildes ist in weitem Sinne das Verhältnis zwischen Mensch und Welt. Ich habe darüber nachgedacht, wie wir als Menschen mit der uns geschenkten Welt umgehen. In Genesis 1, 26-28 steht, dass wir das Ebenbild Gottes sind und uns als solches die Erde untertan machen dürfen und sogar sollten. In diesem Kontext fällt auch der Begriff der „Herrschaft“. Die Frage ist: Inwieweit ist der Mensch ein guter Herrscher? Spielt er seine Macht nicht viel lieber aus? Es scheint ja grundsätzlich so zu sein, dass Macht nicht verantwortungsvoll von einem Menschen getragen werden kann, dass Macht immer auch verdirbt.
Ich denke, es ist sinnvoll, die einzelnen Elemente des Bildes näher zu erläutern. Das Mädchen – eine etwas abgewandelte Version von mir selbst, gewissermaßen eine verzerrte Reflexion – steht für den Menschen, den herrschenden, berechnenden, überheblichen Herrscher. Das rote Kleid ist dementsprechend der Purpurmantel. Ich habe mich gefragt, was ich mit der Welt tun würde, wenn ich über sie verfügen könnte und egal, wie weit ich gedacht habe, immer kam ich bei der Erkenntnis an, dass kein Mensch je in der Lage sein wird, gerecht zu herrschen, überhaupt so über die Welt zu herrschen, dass sie nicht aus den Fugen gerät. Es hat schon seine Gründe, warum der Mensch nicht allmächtig ist.
Nun zu dem Globus: Er ist zum Spielball geworden und zur Kugel, in der die Zukunft gelesen werden kann. Er ist geschrumpft und dem Mädchen ausgeliefert; er dreht sich auf ihrem Finger und befindet sich in der Gefahr, ins All hinabzustürzen. Das Mädchen ist die neue Sonne der Erde, aber sie geht leichtsinnig mit ihr um, betrachtet sie wie ein Besitztum, ein Objekt. Die gekreuzten Finger hinter dem Rücken, im Dunklen verborgen, repräsentieren das Bewusstsein um die wunderbare und riesige Aufgabe, die Erde zu verwalten und das absichtliche Missachten dieses von Gott gegebenen Auftrags. Eigentlich wissen wir doch, was gut ist für uns und für andere, für die Welt. Wir wissen es, aber wir tun es nicht – können es nicht? Wir zerstören die Welt und wissen es. Ist das nicht paradox?
Der Mond, ein Betrachter der Entwicklungen, denen die Welt unterliegt, noch. Er bleibt derselbe, aber auch er wurde bereits von Menschen betreten, auch er ist ein Opfer des Forschungsdranges des Menschen.
Die Sterne verbinde ich einerseits mit dem bekannten Lied „Weißt du wie viel Sternlein stehen?“, andererseits bilden sie auch die Zeichen und Bilder, in denen angeblich die Zukunft gelesen werden kann. Alle zwölf Sternzeichen sind über dem Kopf des Mädchens und um den Mond herum zu erkennen. Ich denke dabei an die vielen Horoskope, die in jeder Zeitschrift zu lesen sind und werde traurig, wenn ich überlege, dass viele Menschen diese scheinbaren Zukunftsvorhersagen so ernst nehmen. Lassen sie sich fremdbestimmen? Mein Leben wird jedenfalls nicht vom Stand der Sterne bestimmt.
Oft frage ich mich, was wohl einmal aus der Welt geworden sein wird. Wir Menschen haben sie schon in hohem Maße ausgebeutet, verändert, umgestaltet. Die Erde ist von uns abhängig, aber wir sollten niemals vergessen, dass wir ohne sie nicht einmal existent wären. Wir sollten unseren Blick auf die Welt ändern, nicht von oben herabschauen. Denn unsere Herrschaft wird ein Ende finden. Wer weiß, vielleicht ein baldiges.


Danke für's Anschauen und/oder Lesen!
Miriam


3 Kommentare:

RoM hat gesagt…

Servus, Miri.
Interessierende Gedankengänge lese ich doch ausgesprochen gerne. :-)

Ein Blick in die geologische Geschichte des Planeten "Erde" besagt eigentlich schon, daß die versammelte Menscheit ihm nicht sonderlich viel anzuhaben vermag. Die Erde war vulkanischer Glutofen, globale Eiswüste, nahezu ein einziger Ozean - die Zeit menschlicher Existenz ist auf der langen Strecke nichtig gering. Mehr als eine globale Totalkastastrophe hat das Leben nahezu ausgelöscht; und doch kam es immer wieder durch.

Der Mensch an sich hat bereits das Problem, daß er mit sich selbst nicht klar kommt - also hapert es auch an der Reife, die er seiner Umwelt entgegen bringt. Sich selbst & andere zu mögen ist da schon ein Schritt in Richtung richtig.

Macht korrumpiert den Einzelnen. Selbst wenn es um gerechte Anliegen geht, braucht es lediglich der Hetze derjenigen, die um Pfründe fürchten, und schon geraten Ideale ins Wanken.
Der Mensch allein kann nur scheitern - weswegen es wohl die brauchbarste Notlösung bleibt, daß Macht verteilt ist & von unterschiedlichen Seitenckontroliert wird. Kein Ideal - das wäre wohl ein Utopia - aber die Demokratie bleibt ein brauchbare "Notlösung".

Deine 14, zum Bild niedergeschriebenen, Zeilen faßen Deinen Intensionen dicht zusammen. Dicht & umfänglich.

Für mich ein sehr mögbares Werk.

Ging Dir die Arbeit daran leicht von der Hand?
Ich erinnere mich noch an leichten Skeptizismus, was die Technik mit Acryll angeht. Firmer geworden!? :-)

Chapeau für ein feines Werk. Gedanken, Bild, Gedicht!

"Wenn der Menschheit Positiva eigen bleiben, dann sind es die der Neugier, des Dranges zu verstehen, die Fähigkeit zum Guten wie zum Erkennen des Schönen."
(F. Claire Serine)

bonté

Librie Krystalianna hat gesagt…

Bonsoir :)

Ganz, ganz ♥-lichen Dank für die Auseinandersetzung mit meinem Bild und meinen Gedanken!
Ich stimme Dir vollkommen zu, aber trotzdem schade, dass wir bei aller Intelligenz doch nie dazu fähig sein werden, eine Utopie zu erschaffen...

Nun, das größte Problem war nicht die Farbe, sondern der schwarze Untergrund. Vorzeichnen ist das ziemlich knifflig (sieht man eben nur, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel auf die Leinwand fällt). Aber im Generellen muss ich schon sagen, dass mir das Malen immer mehr gefällt (momentan sogar mehr als das klassische Zeichnen).

Ich bedanke mich!

RoM hat gesagt…

...das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.

Ein waschechtes Utopia (im Sinne von Thomas Morus) würde dem Menschen viel von seiner Menschlichkeit vorenthalten, weil besagtes Konstrukt nur in eine völlige Überwachung des Individuums münden würde.

Mit den hermetisch abgeschirmten Wohnkomplexen in den Staaten - vorgebliche Sicherheit, Einheitsdenken, nachbarschaftlicher Überwachungsdruck - läßt sich eine linde Vorstufe dessen beobachten.
Ein perfektes Utopia trennt nicht wirklich viel von einem Dystopia, denke ich. Ein solides Streitthema in der Science Fiction.

Dein Spaß an der Kunstform freut mich.

bonté