Mittwoch, 28. August 2013

Vergleich: Rayburn / Hocking

„Watersong - Sternenlied" von Amanda Hocking 
vs. 
„Im Zauber der Sirenen" („bzw. „Ocean Rose - Erwartung) von Tricia Rayburn

 

Inhalt

 

"Watersong":

„Warum?" Er schaute auf sie herab, nahm sie aber nicht in die Arme, wie sie gehofft hatte. „Wieso bin ich auf einmal dein Anker in der Normalität?"
„Weil du der einzige Mensch bist, der mich so sieht, wie ich wirklich bin."

(S. 208)

Die sechzehnjährige Gemma ist eine ehrgeizige Schwimmerin, die von Olympia träumt. Auch wenn sie es mit ihrem Vater und ihrer älteren Schwester Harper, die sich seit dem Unfall ihrer Mutter manchmal zu sehr um sie sorgt, nicht immer leicht hat, ist sie rundum zufrieden mit ihrem Leben, gerade jetzt, wo sich zwischen Alex und ihr tiefere Gefühle entwickeln. Dann jedoch tauchen drei merkwürdige Mädchen im Ort auf, die von allen jungen Männern umschwärmt werden und sich aus unerfindlichen Gründen für Gemma zu interessieren scheinen. Gemma würde ihnen am liebsten aus dem Weg gehen, doch Penn, Thea und Lexi wollen unbedingt, dass sie eine von ihnen wird, eine Sirene...

© ullstein

"Im Zauber der Sirenen":

„Wie?", bohrte ich nach. „Was macht sie so unvergesslich?"
Er runzelte die Stirn und schien sich zu fragen, warum ich das wissen wollte, noch dazu gerade jetzt. „Okay, vor allem ist sie umwerfend schön." (...) „Aber ihre Schönheit ist irgendwie irritierend und unbehaglich. Ungefähr so, als wenn man in einem Kunstmuseum die Bilder betrachtet und fast ein schlechtes Gewissen hat, weil die Museumswächter einen die ganze Zeit nicht aus den Augen lassen."
(S. 170)

Vanessa ist nach dem tragischen Verlust ihrer Schwester nach Winter Harbor zurückgekehrt, um Antworten zu finden und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Sie begibt sich auf die Suche nach Caleb, dem Freund ihrer Schwester, doch der ist wie vom Erdboden verschwunden. Zugleich wird der Ort immer wieder von Schreckensnachrichten erschüttert: unerklärliche Unwetter ziehen plötzlich herauf; Männer werden tot an Land gespült. Gemeinsam mit Calebs Bruder Simon versucht Vanessa der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Schnell finden sie heraus, dass die Frauen der Familie Marchand mit all dem zu tun haben müssen - nur was und wie können sie aufgehalten werden?

ACHTUNG:
Diese Trilogie ist vor kurzem neu aufgelegt worden und läuft jetzt - mit wunderschönen Covern - unter dem Titel „Ocean Rose" (was ich leider noch nicht wusste, als ich den ersten Teil gekauft habe).

 Vergleich

Geschichte & Umsetzung


Abgesehen von ihrem Genre und der Sirenen-Thematik unterscheiden die beiden Bücher sich sehr voneinander.
Es beginnt schon mit der Erzählperspektive - in „Watersong" ein personaler Erzähler, der zwischen verschiedenen Charakteren wechselt, sich aber schwerpunktmäßig auf Gemma (und Harper) konzentriert, beim „Zauber der Sirenen" Vanessa als Ich-Erzählerin. Vielleicht ist es bloße Gewöhnungssache, aber mir sagt letzteres mehr zu, weil es die Distanz zu den Figuren verringert. Was dabei allerdings auch eine Rolle spielt, ist, dass mir Vanessa ohnehin um einiges sympathischer war, aber dazu später...

Spannender gestaltet fand ich „Im Zauber der Sirenen". Die Handlung bleibt kontinuierlich interessant und die Hintergründe werden Stück für Stück gelüftet.
„Watersong" kann da mit seinen Kontrasten von belanglosen, flachen Dialogen zu doch recht brutalen Schilderungen (auch wenn die Passagen recht kurz gehalten waren, habe ich es persönlich nicht so mit herausgequetschten Eingeweiden) nicht mithalten. Große Überraschungen hält der Plot auch nicht bereit - nach der Auflösung in Form eines recht langen Erklärungsabschnitts war die Luft für mich weitestgehend raus.

Gestaltung der Sirenen


Die Sirenen sind, auch wenn sie in Grundzügen dem bekannten Bild entsprechen, in den Büchern ganz unterschiedlich dargestellt.
„Im Zauber der Sirenen" sind sie sehr nah an der typischen Vorstellung orientiert, handeln aus Selbstsucht und Rachegefühlen heraus, verfügen über übernatürliche Verführungskräfte, die ihre Opfer in ihren Bann ziehen, sind abhängig von Salzwasser und arbeiten zusammen an einem Vernichtungsplan.
Bei „Watersong" spielt hingegen die griechische Mythologie eine große Rolle und die Mädchen unterliegen einem Fluch. In den verschiedenen „Formen", die sie annehmen können, und ihrer Brutalität sind sie etwas freier, origineller und unvorhersehbarer gestaltet.

Charaktere


Die Protagonistinnen der beiden Bücher sind sich nicht wirklich ähnlich. Während Gemma in „Watersong" nur im Wasser vollkommen in ihrem Element ist, ist die ein Jahr ältere Vanessa („Im Zauber der Sirenen") geradezu wasserscheu und im Allgemeinen sehr viel furchtsamer, auch wenn sie diese Eigenschaft im Laufe ihrer Entwicklung weitestgehend ablegt. Beide Mädchen haben eine ältere Schwester, die sie unter ihre Fittiche nimmt. Über Justines Verhältnis zu Vanessa zu schreiben, würde zu viel vorwegnehmen. Was Gemma und Harper betrifft, muss ich sagen, dass Harper mir eindeutig mehr ans Herz gewachsen ist, und ich mit dem Gedanken spiele, die Trilogie ihretwegen weiterzuverfolgen.
Gemma ist überhaupt sehr blass geblieben - einen Charakter auf Schönheit und Sportlichkeit zu beschränken, reicht leider nicht aus, um die Leser an ihn zu binden.
Vanessa hatte im Vergleich eine sehr viel stärkere und einzigartigere Persönlichkeit und macht zudem eine überzeugende Entwicklung durch, von der bei Gemma absolut nichts zu sehen ist.

Die Liebesgeschichten haben einige Gemeinsamkeiten. Beide Mädchen haben Angst, ihren Freund durch ihren Kontakt zu Sirenen in Gefahr zu bringen.
Sowohl Alex als auch Simon sind bisher nur platonische Freunde gewesen, sodass den Büchern das Thema „Wenn Freundschaft zu Liebe wird" gemein ist.
Hinzu kommt bei „Watersong" als Nebenhandlung eine weitere Liebesgeschichte, die Harper betrifft, wobei Bindungsängste eine Rolle spielen.
Alex und Simon sind beide keine besonders vielschichtigen Figuren, aber wenn ich wählen müsste, wäre auch hier „Im Zauber der Sirenen", d.h. Simon, stärker, denn über Alex hat man bis auf Nebensächlichkeiten kaum etwas erfahren, während Simon mit seinem Einsatz für seinen Bruder sowie seinem leidenschaftlichen Interesse fürs Wetter dann doch mehr als ein oberflächlicher Charakter ist.

Fazit


Obwohl die Gestaltung der Sirenen in „Watersong" dem Buch in ihrer Neuartigkeit einen Pluspunkt verschafft, hat mir im Gesamteindruck „Im Zauber der Sirenen" um einiges besser gefallen. Bei „Watersong" war ich von den Charakteren und der Erzählweise ehrlich gesagt enttäuscht, wobei „Im Zauber der Sirenen" mich mit beidem überzeugen und überraschen konnte.
Vom Gefühl her hätte ich vor dem Lesen vermutet, dass mein Urteil genau andersherum ausfallen würde, doch inzwischen gebe ich „Im Zauber der Sirenen" ganz klar den Vorzug.
Vielleicht werde ich die beiden Fortsetzungen ebenfalls wieder gegenüberstellen und sehen, ob sich im weiteren Verlauf etwas ändert.

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